Start-Ups brauchen die Partnerschaft großer Unternehmen, damit sie mit ihren innovativen Medikamenten den Markt erreichen. Pharma- und Biotechindustrie sind wichtige und attraktive Dienstgeber für qualifizierte Mitarbeiter /innen. Dr. Matthias Wernicke, Vizepräsident FOPI im Gespräch mit Gisela Zechner
life-science: Die Entwicklungszeit eines Medikaments dauert viele Jahre. Hat ein Start-Up eine Chance, aus eigener Kraft sein eigenes rezeptpflichtiges Medikament auf den Markt zu bringen?
M. Wernicke: Die durchschnittlichen Entwicklungskosten eines neuen Medikamentes liegen bei – je nach Berechnungslogik- mehr als 1,5 Milliarden Euro bis mehreren Milliarden Euro. Abgesehen davon ist ein solches Entwicklungsprogramm ein sehr risikoreiches Unterfangen: nur eine von 5- bis 10.000 untersuchten Substanzen gelangt tatsächlich als Medikament in den Handel und zum Patienten. Allein an diesen Größenordnungen kann man schon erkennen, dass ein kleines Start Up diesen Weg nicht allein von Anfang bis Ende gehen kann. Es braucht hier schon große und finanzstarke Unternehmen, um solche risikoreichen Programme durchzustehen!
life-science: Gibt es einen Trend, dass forschende Großunternehmen ihre eigene Innovationspipeline zum Teil mit Entwicklungen junger Start-Ups auffüllen?
M. Wernicke: Die Zeiten des Einzelkämpfertums sind vorbei. Die enormen Kosten bei der Entwicklung von Arzneimitteln liegen unter anderem an dem hohen Dokumentationsaufwand und den Sicherheitsanforderungen, die heute für klinische Studien vorgeschrieben sind. Und das ist auch gut so – denn nur so kann gewährleistet werden, dass wirksame und sichere Medikamente den Patienten zur Verfügung gestellt werden. Das Eingehen von Kooperationen auf diversen Ebenen gehört deswegen heute zum Alltag. Innovative Forscher können so ihre Entdeckungen bis zur Marktreife führen – Forschende „Superminds“ müssen ihre Forschungsinteressen nicht einem Konzern unterordnen – und wenn sie am Schluss doch zusammenfinden haben alle etwas davon.
life-science: Wenn Sie die life-science Szene in Österreich mit den zahlreichen jungen Start–Ups ansehen – welche Bedeutung geben Sie der Pharma- Biotechbranche insgesamt?
M. Wernicke: Natürlich muss man die volkswirtschaftlichen Aspekte betrachten, wenn man von der Pharmaindustrie und der Biotech Branche spricht. Die von der Pharma-, Biotech- und Medizintechnikbranche in Österreich direkt und durch Folgeeffekte ausgelöste Wertschöpfung von 9,6 Mrd. € leistet einen Beitrag von rund 2,8% des gesamten BIP in Österreich, und die 63.000 Beschäftigten in diesem Bereich machen 1,7% der Gesamtbeschäftigung aus*. Das sind schon sehr beachtliche Zahlen. Hier wird deutlich, dass die Pharmazeutische Industrie in Österreich einen wichtigen Wirtschaftsfaktor darstellt dass es für Österreich sehr wichtig ist als Industriestandort interessant zu bleiben.
*Quelle: Zukunftsstrategie Life Sciences und Pharmastandort Österreich (2016), www.bmwfw.gv.at
life-science: Welche Bedeutung hat die Pharmaindustrie als Dienstgeber?
M. Wernicke: Man würde es sich zu leicht machen nur von den Konzerninteressen um Umsatzzahlen zu sprechen und die Leute dahinter zu vergessen: In Österreich arbeiten alleine rund 18.000 Menschen in 220 Pharmaunternehmen – dazu kommen dann nochmals rund 1660 Menschen, die in 116 Biotechunternehmen Arbeit finden. Sehen Sie sich zum Beispiel das Werk meines Unternehmens Merck in Spittal an der Drau an. Noch vor 10 Jahren wurde über die Schließung gesprochen und heute haben wir nach diversen Investitionen in neue Standards über 400 Mitarbeiter in der Region mit der höchsten Arbeitslosigkeit Österreichs. Und in diesem Sommer eröffnen wir wieder einen weiteren Zubau um unsere Kapazitäten erhöhen zu können.
Natürlich haben sich über die Jahre auch die Anforderungen geändert – z.B. sind wir eine Kooperation mit einer HTL eingegangen, um jungen Menschen aus der Region die Ausbildung zum Mechatroniker zu ermöglichen. Die jungen Leute können so in ihrer Heimatgemeinde bleiben und wir bekommen die Arbeitskräfte mit dem Ausbildungsniveau, das wir dringend suchen. Ein klassischer Fall von win-win.
life-science: Zum Abschluss eine persönliche Frage: Ihre Wurzeln sind in Potsdam, Sie studierten und lebten in Großbritannien. Was finden Sie an Wien besonders attraktiv?
M. Wernicke: Für mich bietet Wien eine einmalige Kombination aus Weltstadt und Lebensqualität. Auf der einen Seite ist das eine pulsierende Hauptstadt im Herzen Europas mit einer großen Rolle im internationalen Geschäftsleben und in der internationalen Politik. Auf der anderen Seite ist es natürlich eine Stadt, die sehr familiär und sehr überschaubar ist und kurze Wege mit einem extrem breiten Kultur- und Freizeitangebot bietet. Also in Summe: Ich empfinde es wirklich als Privileg, hier leben und arbeiten zu dürfen.
Vielen Dank für das Gespräch
DI Gisela Zechner
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