Sich gegen die klimawandelbedingte Ausbreitung von Infektionskrankheiten zu wappnen, ist dringend geboten. An einschlägigen internationalen Projekten sind Mitglieder der Österreichischen Gesellschaft für Molekulare iowissenschaften und Biotechnologie (ÖGMBT) wesentlich beteiligt.
Der kürzlich erschienene Zweite Österreichische Sachstandsbericht zum Klimawandel (AAR2) lässt keinen Zweifel: Mit den tendenziell zunehmenden Temperaturen, Starkregenfällen sowie sonstigen Extremwetterereignissen sind rhebliche Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung verbunden. Das betrifft sowohl die Belastung durch häufigere und intensivere Hitzewellen als auch die Ausbreitung bisher nur in (sub-)tropischen Regionen beheimateter ücken- sowie Zeckenarten, die schwere Erkrankungen übertragen können. Als Beispiele nennt der AAR2 Aedes- und Anopheles-Mücken, Zecken der Gattung Hyalomma marginatum, aber auch Sandfliegen. „Diese Spezies sind otenzielle Vektoren für tropische sowie subtropische Krankheiten, die von Chikungunya-, Dengue- und Gelbfieberviren, Krim-Kongo-Hämmorhagisches-Fieber-Viren (CCHFV) sowie Leishmanioseparasiten übertragen werden“, heißt es n dem Bericht. Diesen Befund bestätigt auch Martin Jung, der Leiter der Competence Unit Molecular Diagnostics am AIT Austrian Institute of Technology. Er verweist auf eine Studie, die 2022 in Nature Climate Change veröffentlicht wurde, der zufolge fast sechzig Prozent aller Infektionskrankheiten durch den Klimawandel beeinflusst werden. Jung zufolge breiten sich die von Zecken übertragenen Krankheiten FSME und Borreliose gerade auch in Österreich unehmend aus. „Und mit dem Reisegeschehen kann jederzeit ein neues Virus nach Österreich gelangen. Wenn sich bestimmte Erkrankungen in beliebten Urlaubsdestinationen wie Italien, Spanien und Griechenland einmal etabliert aben, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie nach Österreich gelangen. Es ist daher dringend geboten, sich zu wappnen und geeignete Überwachungssysteme aufzubauen.“
Diagnostik im mobilen Labor
Dazu tragen nicht zuletzt Jung selbst und seine Mitarbeiter am AIT bei. Unter Federführung des in Hamburg ansässigen Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin arbeiten sie gemeinsam mit weiteren Partnern, darunter der AGES, n dem Projekt „MOBILISE“ mit, das von der EU mit vier Millionen Euro gefördert wird. „Bei dem Projekt geht es darum, ein mobiles Labor zu entwickeln, das auf einem Lastwagen Platz findet“, erläutert Johannes Peham, der am AIT ür „Point-of-Care“-Diagnostik, also patientennahe Diagnostik sowie Diagnostik vor Ort, zuständig ist. Der geländegängige LKW ist etwa neun Meter lang und zehn Tonnen schwer und kann daher auch schwer zugängliche Gebiete, in enen der Ausbruch von Epidemien droht, gut erreichen. Im „ausgeklappten“ Zustand weist das Labor etwa 36 Quadratmeter Fläche auf. Laut Peham lassen sich darin menschliche Proben ebenso untersuchen wie tierische und mweltproben, was als „One-Health-Ansatz“ bezeichnet wird: „Das diagnostische Portfolio des Labors ist sehr breit. Es reicht von der Detektion von Viren über deren Identifizierung bis zu Schnelltests. Und die Entwicklung der chnelltests machen wir am AIT.“ Sie beziehen sich vorerst auf das West-Nil-Virus und das CCHFV, die innerhalb etwa einer halben Stunde detektiert werden können. Das Labor erfüllt die Anforderungen der Biologischen icherheitsstufe 3 (BSL-3). Es ist mit einem Unterdruck-Lüftungssystem ausgestattet, um zu vermeiden, dass Stoffe nach außen gelangen. Ferner verfügt es über eine Glovebox, in der die hochinfektiösen Proben geöffnet und earbeitet werden dürfen. „Im LKW werden die Proben dreifach verpackt angenommen“, berichtet Peham. Die verpackten Proben werden vor der Einbringung in das Labor mit Bleiche desinfiziert. So wird sichergestellt, dass die abormitarbeiter nie direkt mit infektiösem Material in Kontakt kommen. Mehrere Tests der Laborabläufe, unter anderem in Österreich und Deutschland, verliefen zufriedenstellend. Geplant ist nun ein weiterer Feldtest in Griechenland und in Tansania in Ostafrika. Erfolgen werden diese Tests ab Juli. Der Abschluss von „MOBILISE“ ist Peham zufolge für September 2025 vorgesehen. Der „Prototyp“ des mobilen Labors wurde bereits dem deutschen sowie dem österreichischen Gesundheitsministerium präsentiert und stieß von deren Seite auf erhebliches Interesse. Im Sinne der Gesundheitsvorsorge wäre es laut Jung empfehlenswert, mobile Labore durch die zuständigen Behörden zu beschaffen: „Die nächste Pandemie kommt sicher. Es fragt sich nur, wann, und welcher Erreger das sein wird.“
Antibiotikaresistenzen schneller detektieren
Ein weiteres Thema, mit dem sich das AIT im Zusammenhang mit der durch den Klimawandel bedingten Ausbreitung von Krankheiten befasst, sind Antibiotikaresistenzen. Warum dies von Bedeutung ist, erläutert der dafür zuständige Unit-Mitarbeiter Ivan Barisic: „Das COVID-19-Virus hat innerhalb der vergangenen vier Jahre weltweit rund sieben Millionen Todesopfer gefordert. An Antibiotikaresistenzen dagegen sind allein 2019 mehr als fünf Millio-nen Menschen verstorben, und diese Zahl steigt schnell.“ Im Zuge des Klimawandels breiten sich die Resistenzen, grob gesprochen, analog zu den tendenziell steigenden Durchschnittstemperaturen vom Südosten Europas in den Nordwesten aus. Barisic‘ Gruppe führt nicht zuletzt im Zuge von EU-Projekten diesbezügliche epidemiologische Studien durch und entwickelt Monitoringverfahren sowie diagnostische Tests. „Uns geht es darum, potenzielle Risiken schneller detektieren zu können“, erläutert Barisic. Notwendig seien bessere, günstigere, schnellere und mobilere Testsysteme: „Und dafür brauchen wir neue biotechnologische Ansätze.“
Interdisziplinär arbeiten
Um die durch den Klimawandel bedingte Ausbreitung von (Infektions-)Krankheiten einzudämmen, sind laut Jung „interdisziplinäre Ansätze“ unverzichtbar: „Es gilt, nicht nur die humanmedizinische Seite des Problems zu betrachten, sondern auch die veterinärmedizinische – Stichwort Zoonosen –, die Lebensmittelseite und die Umweltseite. Sich alles getrennt anzusehen, funktioniert nicht. Das hat sich bei der COVID-19-Pandemie gezeigt.“ Auf wissenschaftlicher Ebene fasse die Österreichische Gesellschaft für Molekulare Biowissenschaften und Biotechnologie (ÖGMBT) die nötigen Ansatzpunkte gut zusammen. Sie könne daher bei der Bewältigung einschlägiger Herausforderungen von nicht zu unterschätzendem Nutzen sein.
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