Der Avatar drückt die Schulbank

Friday, 02 October 2020 02:00

Der Avatar drückt die Schulbank Chronisch kranke Kinder können oft über längere Zeiträume nicht am Unterricht teilnehmen. Ein Forschungsprojekt von Thomas Pletschko vom Comprehensive Center for Pediatrics CCP der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde untersucht, wie sich Avatare auf die schulische Partizipation, das Zugehörigkeitsgefühl, Gefühle sozialer Isolation sowie das Wohlbefinden von Kindern mit chronischen Erkrankungen auswirken. Können Telepräsenz-Systeme wie Avatare ein geeignetes Mittel sein, um Problemen durch häufige schulische Abwesenheit vorzubeugen?

Trotz Erkrankung am Unterricht teilnehmen

In Österreich leiden etwa 190.000 Kinder an chronischen Erkrankungen wie Diabetes, angeborenen Herzfehlern oder Krebserkrankungen. Etwa neun Prozent davon können aufgrund von medizinischen Behandlungen oder Krankenhausaufenthalten die Schule nur unregelmäßig besuchen. Die Folgen sind nicht nur Einbußen der schulischen Fertigkeiten, sondern auch soziale und emotionale Probleme für die kranken Kinder. Das Fehlen von persönlichen Kontakten zu Lehrenden und MitschülerInnen verursacht auch Gefühle von Einsamkeit und sozialer Isolation. Ein mangelndes Zugehörigkeitsgefühl begünstigt das Entstehen psychischer Folgeerkrankungen, einen geringen Selbstwert der kranken Kinder und eine ungünstige Verarbeitung der Krankheit.

Um diesen Schwierigkeiten vorzubeugen, wurden in den vergangenen Jahren Telepräsenz-Systeme wie Avatare, virtuelle Klassenräume und mobile Roboter in der pädagogisch-psychologischen Arbeit diskutiert. Oft wird ein steuerbarer Roboter eingesetzt, der sowohl Bild als auch Ton in beide Richtungen übertragen kann und von den Kindern gesteuert und bewegt wird. Dieses System ist jedoch technisch anfällig, und zudem fühlen sich die kranken Kinder wegen ihres körperlichen Erscheinungsbildes unwohl.

Der Avatar im Klassenraum

Der handliche Avatar AV1 der norwegischen Firma „No Isolation“ wird im Klassenraum positioniert und überträgt den Ton in beide Richtungen, jedoch das Videobild nur in eine Richtung. Das kranke Kind sieht so seine Klassenkameraden und kann sich verbal und schriftlich in den Unterricht einbringen, wird aber selbst nicht gesehen. Gesteuert wird der AVATAR mittels einer App auf dem Tablet oder Smartphone.

Telepräsenz-Systeme als Türöffner für chronisch kranke Kinder

Thomas Pletschko vom Comprehensive Center for Pediatrics CCP von MedUni Wien und AKH Wien und Leiter des Pediatric Brainfit Labs untersucht nun detailliert in einer für die Dauer von zwei Jahren angesetzten prospektiven Studie, wie sich der Einsatz des Avatars AV1 auf die schulische Situation der Kinder und deren Eltern, sowie der LehrerInnen auswirkt. Analysiert werden auch die Nutzungsdauer sowie sozioökonomische Einflussvariablen. Die Stichprobe inkludiert Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen im Alter von 6 bis 17 Jahren und 11 Monaten, die bereits mindestens ein Semester lang die Schule besucht haben und diese aufgrund ihrer Erkrankung für mindestens sechs Wochen nicht oder nicht regelmäßig besuchen können.

Ziel der Studie ist, ein besseres Verständnis für die schulischen Probleme der Kinder und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen zu schaffen und Interventionsmöglichkeiten aufzuzeigen, die sich mit der neuen Technologie der Telepräsenz-Systeme auseinandersetzen. ProjektpartnerInnen und SponsorInnen sind die Heilstättenschule Wien und der private Bildungsträger „die Berater“ sowie das Projekt Occursus, 42virtual und der Verein Herzkinder.

(GZ)
Quelle: Medizinische Universität Wien
Foto: (c) Estera Kluczenko

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