Dass die Österreichische Nationalbank ihren „originären Jubiläumsfonds“ neu ausrichten
 und auf „notenbankenrelevanten Fragestellungen“ einengen will, sorgt für Bestürzung
 in der Wissenschafts-Community. Der Grundlagenforschung würde eine wichtige
 Finanzierungssäule wegbrechen.

Im Oktober ging ein Aufschrei durch die Wissenschaftslandschaft: In einer Aussendung verkündete die Österreichische Nationalbank (OeNB), den sogenannten „originären Jubiläumsfonds“, der in den vergangenen Jahren zwischen drei und sechs Millionen Euro in die Förderung von medizinischer, sozial- und geisteswissenschaftlicher Forschung gesteckt hatte, völlig neu auszurichten. Ab 2020, war da zu lesen, sollen die von dem Fonds geförderten Projekte „im Rahmen originärer Untersuchungen den Stand der Forschung in notenbankenrelevanten Fra-gestellungen unter besonderer Berücksichtigung kommunizierter Schwerpunkte behandeln“. Notenbankenrelevante Frage-stellungen? Das klingt nicht nach medizinischer Forschung, auch nicht nach Geis-teswissenschaften. Nicht die genannten Wissenschaftsdisziplinen, sondern der inhaltliche Bezug zu 19 Themenclustern soll künftig das Kriterium der Förderbarkeit darstellen. Die Rolle von Zentralbanken, Geldpolitik oder Finanzmarktstabilität war da genannt, ebenso Investitionsstra-tegien, europäische Wirtschaftsintegration oder Fragen des Arbeitsmarkts, auch aus-gewählte Themenstellungen der Rechts-, Sozial- und Geisteswissenschaften, aber nur dann, wenn dabei Fragen der Wirtschafts- und Standortpolitik besondere Be-rücksichtigung finden.
Für die medizinisch orientierte For-schung würde das einen herben Rück-schlag bedeuten. In einem geharnischten Brief an das Direktorium und den Vorsit-zenden des Generalrats der Nationalbank brachten die Präsidenten von 51 wissenschaftlichen Gesellschaften, darunter an prominenter Stelle auch ÖGMBT-Präsident Lukas Huber, zum Ausdruck, dass man die angekündigte Reform des originären Jubiläumsfonds mit ihrer „Schärfung der Förderstruktur“ sarkastisch finde. „Die österreichische Grundlagenforschung hatte schon bisher erhebliche Standortnachteile aufgrund der notorisch unzu-reichenden finanziellen Ausstattung des Wissenschaftsfonds FWF sowie einer im Vergleich zu Deutschland, den Niederlan-den und insbesondere der Schweiz prak-tisch inexistenten Finanzierung durch Stif-tungen“, so die Vertreter der Wissenschaft. Damit melde sich nun auch der Jubiläums-fonds de facto aus der Forschungsförderung dreier kritischer Disziplinen ab.


Aufschrei in der medizinischen Forschung
Insbesondere der eng gesetzte thematische Fokus stieß der Forschungsgemein-schaft sauer auf: Es wurde darauf ver-wiesen, dass die Nationalbank ja eigene Abteilungen zur Beforschung der genannten Themencluster zur Verfü-gung habe, wie sie selbst angab. Zudem stellte man die Frage, ob es in Österreich überhaupt ausreichend Forschungsgrup-pen zu diesen Themen gebe, „um eine der-artige Einengung des Fokus auf Kosten der aussortierten Disziplinen zu rechtfertigen“.
Erstunterzeichner des Briefs ist Han-nes Stockinger, Präsident des Verbands der Wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs und selbst Leiter des Zentrums für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie sowie des Instituts für Hygiene und Angewandte Immunologie der Medizinischen Universität Wien. „Für die drei Disziplinen, die bisher gefördert wurden, ist diese Säule essenziell. In meiner Orga-nisation wurden in den letzten Jahren drei bis vier Projekte
beim Jubiläumsfonds eingeworben. Außer dem Jubiläumsfonds und dem FWF haben wir kein Instrument, das eine substanzielle Finanzierung ermöglicht“, sagt Stockinger im Gespräch mit dem Chemiereport. Für Stockinger und seine
Kollegen aus der klini-schen medizinischen Forschung ist die Einengung des Fokus völlig unverständlich. Auch die Senate der drei österreichischen Medizin-Universitäten hätten sich bereits kurzgeschlossen, die Betriebsräte sich zu Wort gemeldet.
Neben ÖGMBT-Präsident Lukas Huber haben auch andere Vorsitzende biowis-senschaftlicher Forschungsgesellschaften den Aufruf unterschrieben, beispielsweise Sigismund Huck, Präsident der Österrei-chischen Gesellschaft für Neurowissen-schaften, Alexander Rosenkranz, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie oder Thomas Stockner, Präsident der Österreichischen Biophysikalischen Gesellschaft. Auch die Universitätenkonferenz Uniko appellierte an die Nationalbank: „Die gänzlich unabgestimmte Vorgangsweise des OeNB-Direktoriums zeugt von einem wenig sorgsamen Umgang mit dem österreichischen Forschungs- und Wissenschaftssystem“, hieß es in der Aussendung von Uniko-Präsident Oliver Vitouch. Der Jubiläumsfonds sei nicht irgendein Instrument, sondern seit über 50 Jahren ein strukturelles Element der öffentlichen Forschungsförderung.


Nationalbank verteidigt Vorgehensweise
Auf eine Anfrage zur Reaktion der Nationalbank auf die doch massiv vorgebrach-ten Bedenken der Wissenschafts-Community wurde der Chemiereport auf einen Brief des Direktoriums der Nationalbank an Uniko-Präsident Oliver Vitouch ver-wiesen. In diesem heißt es, der originäre Jubiläumsfonds werde auch zukünftig ein bedeutendes Element der heimischen For-schungslandsaft darstellen. Die inhaltliche Neuausrichtung sei Ergebnis eines sehr breiten und intensiven Diskussionsprozes-ses gewesen, Ziel sei keine harte Zäsur der bisherigen Entwicklung, sondern deren Weiterentwicklung. Die Festlegung auf die Förderung von Grundlagenforschungspro-jekten mit inhaltlichem Bezug zu notenbankenrelevanten Themenbereichen habe dabei auf mehreren Überlegungen gegründet: Forschungsschwerpunkte mit notenbankenrelevantem Bezug seien im internationalen Ver-gleich unterrepräsen-tiert. Durch die Kon-zentration der Mittel sollen akademische Karriereverläufe und -modelle nachhaltig in diesen Bereichen gefördert werden. Das Bekenntnis sei ein län-gerfristiges, was den Wissenschaftsstandort Österreich zu notenbankenrelevanten Themenstellungen attraktiver mache. Und schließlich stelle die inhaltliche Neuausrichtung eine not-wendige Angleichung an internationale Standards dar. Dies entspreche internationalen Benchmarks anderer kleinerer und mittelgroßer Forschungsförderer.
Darüber hinaus bekenne sich die Natio-nalbank dazu, dass Forschungsförderung und insbesondere wissenschaftliche Nach-wuchsförderung eine Säule ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung seien, obwohl dies nicht auf einem gesetzlichen Notenbankmandat beruhe. Konkret wird in dem Schreiben auf den ebenfalls von der OeNB verwalteten Jubiläumsfonds für die FTE-Nationalstiftung verwiesen, der demnach nicht von der Neuausrichtung betroffen ist.
Schließlich verweist das Schreiben der Notenbanker darauf, dass man mit der strategischen Änderung bezüglich des originären Jubiläumsfonds von einer disziplinären zu einer thematischen inhalt-lichen Ausrichtung übergegangen sei: „Forscherinnen und Forscher sämtlicher österreichischer Forschungseinrichtungen sind daher herzlich eingeladen, Anträge innerhalb der für sie hoffentlich interes-sant gestalteten Förderausrichtung mit freier Themenwahl einzureichen.“ Welche Bezüge etwa die medizinische Forschung zu den notenbankenrelevanten Themenclustern herstellen soll, bleibt freilich eine offene Frage.

Original Kolumne im Chemie Report 06/2019

Exzellenz im Rampenlicht

Thursday, 23 January 2020 15:01

Die Zellen des menschlichen Immunsystems müssen erstaunlich beweglich sein, um stets dorthin zu gelangen, wo sie ihre Wirkung entfalten. Summiert man die Wegstrecken aller Leukozyten, kommt man auf 80 in einer Sekunde zurückgelegte Kilometer. Ihre Fortbewegungsweise gleicht dabei der von Amöben: Sie stülpen einen Teil ihres Cytoplasmas aus und lassen den Rest der Zelle nachkommen. Bei ihrem Weg durch das Binde-gewebe müssen sie ein komplexes Netzwerk aus Poren und Hindernissen durchqueren. Über welchen Mechanismus sie das anstellen, darüber war bisher wenig bekannt. Jörg Renkawitz und seine Kollegen aus der Forschungsgruppe von Michael Sixt am IST Austria gingen dieser Frage nach, indem sie die Zellen durch ein von ihnen entworfenes dreidimensionales Microenvironment aus Kollagenfaser wandern ließen und sie dabei mithilfe der Licht-scheibenmikroskopie (englisch „light sheet microscopy“) verfolgten. Dabei zeigte sich, dass die Immunzellen ihr Cytoskelett dazu verwenden, den Zellkern an das vordere Zellende zu drücken, um die Breite der zur Verfügung stehenden Poren zu testen. Ist der breiteste Kanal gefunden, bewegt sich die gesamte Zelle durch diesen hindurch und nimmt so gleichsam den Weg des geringsten Widerstands, um rasch an den Zielort zu gelangen.
Renkawitz ist einer von drei Wissenschaftlern, die im Rahmen der diesjährigen ÖGMBT-Tagung mit einem Life Science Research Award Austria ausgezeichnet wurden. Die Unterstützung junger Wissenschaftler und das Sichtbarmachen exzellenter Forschungsarbeiten aus der heimischen Life-Sciences-Landschaft gehören zu den wesentlichen Aufgaben der ÖGMBT. Der Award wurde in die sem Jahr in den drei Kategorien „Grundlagenforschung“, „Anwen-dungsorientierte Forschung“ und „Exzellenz & gesellschaftliche Auswirkungen“ vergeben, das Preisgeld in der Gesamthöhe von 9.000 Euro stellte das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaft, ein langjähriger Unterstützer der Ausschreibung, zur Verfügung.
Renkawitz konnte die Jury mit seiner in der Zeitschrift Nature erschienenen Publikation in der Kategorie „Grundlagenfor-schung“ überzeugen. „Die Überreichung des Preises empfinde ich als eine ausgesprochen große Ehre. Ein solcher Preis ist neben der Veröffentlichung von internationalen Fachartikeln und der Einwerbung von Drittmittelgeldern eine weitere Auszeichnung“, schätzt Renkawitz die Bedeutung für die eigene wissenschaftliche Karriere hoch ein. Das wissenschaftliche Umfeld und die techni-sche Ausstattung am IST hat er als exzellent empfunden. „Das ist meiner Meinung nach mit anderen erstrangigen Forschungsinstitutionen international vergleichbar. Daher war es eine große Freude, hier für mehrere Jahre meine Postdoc-Forschung durchzuführen.“ Mittlerweile hat Renkawitz seine eigene Forschungsgruppe am Biomedizinischen Centrum der LMUMünchen gegründet, in dem er die Erforschung der molekularen Mechanismen der Bewegung und Verformung von Zellen fortsetzt.


Wer bastelt da am Chromatin herum?
In der Kategorie „Anwendungsorientierte Forschung“ reüs-sierte Sandra Schick, die als Postdoc in der Arbeitsgruppe von Stefan Kubicek am CeMM (Forschungszentrum für Moleku-lare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) arbeitet. In ihrer im Fachjournal Nature Genetics publizierten Arbeit hat sie sich mit der dynamischen Anpassung der Struktur von Chromatin beschäftigt. DNA liegt im Zellkern eukaryotischer Zellen an Proteine gebunden als kompakte, fadenartige Struktur vor, die man Chromatin nennt. Um DNA-Abschnitte für die Genexpression zugänglich zu machen, passen darauf spezialisierte Proteine („Chromatin Remodellers“) die Struktur kontinuierlich an. Der Proteinkomplex BAF hat dabei besonders die Aufmerk-samkeit der Wissenschaftler auf sich gezogen, weil bei gewissen Krebsarten bestimmte Untereinheiten von BAF mutiert vorlie-gen. Schick untersuchte systematisch, welche Folgen der Funktionsverlust einzelner Untereinheiten auf die Genexpression hat, indem sie humane Zelllinien erzeugte, in denen jeweils die für eine BAF-Untereinheit codierenden Gene abgeschaltet waren. Zudem zeigte sich, dass der Verlust einer Einheit ein Rearrangement anderer Einheiten im Komplex bewirkt, wodurch krebsaus-lösende Eigenschaften auch durch geänderte Funktionen von Einheiten ausgelöst werden können, die gar nicht mutiert sind.
Schick hält es für eine große Ehre, unter den vielen exzellenten Nachwuchswissenschaftlern, die es in Österreich gibt, für den Preis ausgewählt worden zu sein: „Es hat mich riesig gefreut, eine solche Auszeichnung für meine Postdoc-Arbeit zu bekommen, da es zeigt, dass auch andere das Potenzial unserer Forschungsergebnisse erkennen und wertschätzen.“ Wie viel exzellente Wissenschaft in Österreich betrieben wird, hat Schick, die davor in Deutschland studiert und dissertiert hatte, beeindruckt: „Die Forschung hier ist außergewöhnlich innovativ, kreativ und anwendungsbezogen.“ Besonders aufgefallen ist ihr die hierzulande verbreitete Denkweise, neue Anwendungsgebiete von Forschungsergebnissen in Form von Startup-Gründungen in die Tat umzusetzen.
Aber auch die Atmosphäre am CeMM hat sie sehr geschätzt: „Besonders habe ich die offene, hilfsbereite und super-kollabo-rative Umgebung genossen, die einem die Möglichkeit bietet, hochrelevante Forschung auf dem neusten Stand der Technik zu betreiben.“ Im nächsten Jahr wird Schick eine eigene For-schungsgruppe starten, die unter anderem die Forschung an den BAF-Komplexen fortführt. Beispielsweise sollen mit relevanten Zellmodellen durch BAF-Mutationen ausgelöste Krebserkrankun-gen und Entwicklungsstörungen untersucht werden, um die spe-zifische Behandlung dieser Krankheiten weiter voranzutreiben.

Ein Protein für die Wirkstoffsynthese
In der Sonderkategorie „Exzellenz & gesellschaftliche Auswir-kungen“ konnte Aline Telzerow die Jury überzeugen. Sie hat sich in der Arbeitsgruppe von Helmut Schwab an der TU Graz mit dem Protein-Engineering einer neuartigen Transaminase beschäftigt. Hintergrund ist die enantiomer reine Synthese von pharmazeuti-schen Wirkstoffen: Von zwei Molekülstrukturen (Enantiomeren), die einander wie Bild und Spiegelbild gleichen, hat in der Regel nur die eine die erwünschte Wirkung. Unter Verwendung der Vorzüge der enzymatischen Katalyse lässt sich dies auch in indus-triellen Prozessen erreichen. Besonders schwer zu knacken war bislang aber die Umsetzung Biaryl-substituierter Ketone zu den entsprechenden Aminen. Mithilfe von Data Mining wurde eine von der Hefe Exophiala xenobiotica erzeugte Transaminase aus-findig gemacht, die auch derartig voluminöse Substrate umsetzt. Ausgehend von der Ermittlung der detaillierten Kristallstruktur wurden Methoden des Protein-Engineering angewandt, um die Stabilität des Enzyms und die Bandbreite möglicher Biaryl-Substrate zu erhöhen.
„Ich habe festgestellt, dass unser Paper durch den Preis und die damit verbundene Veröffentlichung in den sozialen Medien mehr Aufmerksamkeit bekommt. Mehr Aufmerksamkeit bedeutet natürlich, dass die Forschungsergebnisse auch in Zukunft weiter verwendet werden, was sich wiederum positiv auf meine Kar-riere auswirken wird“, bilanziert Telzerow, die die internationale Vernetzung ihrer Arbeitsgruppe sehr geschätzt hat. Die Doktor-arbeit ist fertig geschrieben und wird im November verteidigt. In der nun anstehenden Jobsuche hofft Telzerow etwas zu finden, mit dem sie ihrer Leidenschaft Protein Engineering und Biokata-lyse weiter treu bleiben kann.
Neben den Research Awards wurden auch in diesem Jahr wie-der die Life Science PhD Awards im Rahmen der ÖGMBT-Tagung vergeben. Punkten konnten dabei Harris Kaplan (Institut für Molekulare Pathologie, Wien) mit einer Dissertation zur neuronalen Dynamik, die das Veralten des Fadenwurms C. elegans steuert, und Thomas Gaßler (BOKU Wien), der die Umformung der indus-triell häufig genutzten Hefe Pichia pastoris von einer heterotro-phen zu einer autotrophen Lebensweise untersucht hat, damit diese CO2 als alleinige Kohlenstoffquelle nutzen kann. Sponsoren waren, wie schon in den vergangenen Jahren, THP Medical Products und Polymun.

Original Kolumne im Chemie Report 06/2019

Mehr Geld für herausragende Wissenschaft

Thursday, 23 January 2020 14:42

FWF Präsident Klement Tockner strahlt gespannte Ruhe aus, als wir ihn am Rande des Forum Alpbach zum Gespräch treffen. Dass das Gespräch mit immer neuen politischen Verantwortlichen, denen gegenüber er als unermüdlicher Anwalt der Grundlagenforschung auftritt, einem Kampf gegen Windmühlen gleiche, will er so nicht sagen: „Wir haben einiges erreicht, z. B. ein höheres Fördervolumen, das den Forschenden direkt zugute-kommt.“ Dennoch könne man sich damit nicht zufriedengeben, es seien visionäre Schritte für die Zukunft nötig: „Wir haben unglaubliche Talente in Österreich, der Wille zum Investieren ist da – jetzt muss
man den Mut aufbringen, es auch zu tun.“ Die Forderung nach deutlicher Erhöhung der im Wettbewerb vergebenen Mittel für Grundlagenforschung wird im österreichischen Forschungssystem seit langem erhoben. Im Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ von Dezember 2017 wurde sie der Formulierung nach übernommen, die konkrete Umsetzung blieb zunächst offen. Im November 2018 kündigte Wissenschaftsminister Heinz Faßmann an, zwei Maßnahmen setzen zu wollen, die das im Regierungsprogramm Angekündigte kon-kretisieren sollten: eine Exzellenz-Initiative, um bestimmte Forschungsbereiche langfristig so ausstatten zu können, dass Österreich in der vordersten Liga mitspielen kann – und ein Forschungsfinanzierungsgesetz, um die geplante Erhöhung der Forschungsquote auf 3,76 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in einen festgeschriebenen Finanzierungspfad zu übersetzen. Die Konzepte für beide Maßnahmen sollten bis zu einem Forschungsgipfel im Frühjahr 2019 ausgearbeitet werden. Doch der Gipfel wurde zunächst auf Herbst verschoben, und dann platzte die Regierung und die Wissenschaft hängt mit ihren Forderungen buchstäblich in der Luft.
Allianz macht sich für Wissenschaft stark
Darauf reagierte im August die soge-nannte „Allianz österreichischer Wissenschaftsorganisationen“: „Die Allianz hat keinen formalem Charakter, sie ist ein Zusammenschluss von FWF, Wissenschaftsrat, der Universitätenkonferenz Uniko, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, des ERA Council Forum Austria von Helga Nowotny und des IST Austria, um unseren Anliegen in der Öffentlichkeit Nachdruck zu verleihen“, sagt Tockner. Neben der Exzellenzinitiative und dem Forschungsfinanzierungs-gesetz sind das die langfristige finanzielle Ausstattung der Nationalstiftung, die Über-nahme von Overhead-Kosten bei geförder-ten Grundlagenforschungsprojekten sowie die Erhöhung des wettbewerblich vergebe-nen Anteils der Forschungsförderungsmittel, also eine bessere Grundausstattung des FWF – insgesamt also ein Forderungskatalog in fünf Punkten.
Die Allianz wollte bewusst einen sommerlichen Schritt setzen, damit nicht wäh-rend der Amtsführung der Übergangs-regierung und dem frisch angelaufenen Wahlkampf zu viel Zeit ungenutzt verstreicht. Denn eigentlich liegt alles auf dem Tisch. „Die drei Räte und der FWF erhielten vom Ministerium den Auftrag, ein Konzept für eine Exzellenzinitiative auszuarbeiten. Wir konnten Konsens darüber erzielen, dass diese aus drei Säulen bestehen soll.“ Die erste dieser Säulen stellen Exzellenz-custer dar, die auf bestehende Stärken der österreichischen Wissenschaftslandschaft aufbauen sollen. Tockner kann sich vorstellen, dass über die nächsten zehn Jahre vier bis fünf solcher Cluster in mehreren Ausschreibungen entstehen könnten. Im Unterschied zum deutschen Exzellenzprogramm hielt man es aber für zu wenig, allein darauf zu setzen. In einer zweiten Säule, die man „Emerging Fields“ nennt, sollen neue Themenbereiche aufgebaut werden, mit dem klaren Ziel, darin international führend zu werden. Und schließ-lich sollen unter dem Titel „Austrian Chairs of Excellence“ Universitäten dabei unterstützt werden, bei Lehrstuhlberufungen die besten Köpfe zu bekommen.


Stimmen aus der Wissenschafts-Community
„Bei einer Exzellenzinitiative geht es nicht nur um Geld, sondern auch um eine akademische Kultur, die auf Zusammenarbeit und Wettbewerb setzt“, sagt dazu der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Antonio Loprieno. Wo früher der einzelne Forscher am Zug gewesen sei, entstünden jetzt neue Formen der individuel-len und institutionellen Zusammenarbeit, die sich auch kompetitiv bewähren müss-ten. „Diese neue, aber in den meisten europäischen Ländern schon etablierte For-schungskultur kommt in Österreich noch etwas zu kurz“, so Loprieno. ÖGMBT-Präsident Lukas Huber begrüßt den Vorstoß, warnt aber davor, dass Gelder nur verlagert werden: „Die Finanzierung einer Exzellenz-Initiative darf nicht zulasten der Basisfinanzierung des FWF gehen.“ Nur eine gute Grundausstattung der Forschungs-förderung könne garantieren, dass Österreich international Anschluss finde: „Junge Forscher, die kein Geld bekommen, können keine guten Publikationen hervorbringen, umso schlechter werden die Chancen, wie-der Drittmittel zu lukrieren. Hier droht eine Spirale nach unten“, meint Huber.
Tockner ist es wichtig, dass Themen, zu denen Exzellenzcluster entstehen oder „Emerging Fields“ aufgebaut werden sollen, nicht von der Politik vorgegeben werden, sondern in einem Bottom-up-Prozess aus der Forschungscommunity selbst vorge-schlagen werden. Außerdem ist ihm daran gelegen, dass im Zuge von nationalen und internationalen Kooperationen Synergien genutzt werden, damit die Isolation durch-brochen wird. Grundlagenforschung heiße dabei nicht, dass man die gesellschaftliche Relevanz der bearbeiteten Themen außer Acht lasse: „Wir sind offen für eine Beteili-gung von Partnern aus der Industrie oder aus der Zivilgesellschaft. Viele Herausforderungen sind nur Disziplinen- und Institutionenübergreifend zu bearbeiten.“
Welche Resonanz kann man in der derzeitigen politischen Situation auf ein solches Programm erwarten? „Uns ist wichtig, dass die fünf Punkte im nächsten Regierungsprogramm aufgegriffen werden“, sagt Tockner: „Es ist für alle Politiker ja sonnenklar, was zu tun ist, um die Zukunft unserer Kinder zu sichern und die besten Forscherinnen und Forscher aus aller Welt anzuziehen und mit ihnen die innovativsten Unternehmen. Wissen ist der wertvollste Rohstoff, den wir in Zukunft haben werden“, findet der FWF-Präsident klare Worte.

Original Kolumne im Chemie Report 06/2019

 

Biowissenschaftsstandort Graz

Thursday, 23 January 2020 14:27

Es ist eine Ehre, die österreichischen Forschern nur selten zuteilwird: Im Mai wurde der Grazer Biochemiker
Rudolf Zechner in die US-amerikanische „National Academy of Science“ aufgenom-men. Damit würdigte eine der renommier-testen wissenschaftlichen Vereinigungen der Welt seine Arbeiten auf dem Gebiet der Lipolyse – dem Abbau von Fettmole-külen im Inneren von Zellen. Zechners bedeutendste Entdeckung war dabei, dass das Enzym „Adipose Triglyceride Lipase” (ATGL) der vorrangig tätige molekulare Akteur beim ersten Schritt dieses Abbaus ist. Seither stehen die Regulation des Fett-stoffwechsels und ihr Zusammenhang mit den molekularen Mechanismen der Entstehung von Krankheiten (Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs) im Mittelpunkt der Arbeit seiner Forschungs-gruppe am Institut für Molekulare Bio-wissenschaften der Uni Graz. Zudem ist Zechner Direktor von „BioTechMed“, einer Initiative, die die Forschungskompeten-zen der drei naturwissenschaftlich tätigen Grazer Universitäten (Universität Graz, TU Graz und Medizinische Universität Graz) bündeln und vernetzen will. Aus dem Programm werden auch „Young Researcher Groups“ finanziert, über die vielverspre-chende Postdocs ihre eigene Gruppe auf-bauen können.
Die Erforschung des Lipid-Metabolis-mus hat in Graz eine jahrzehntelange Tradition und ist heute an allen drei Unis ver-treten. Allein am Institut für Molekulare Biowissenschaften der Uni Graz lassen sich zehn Forschungsgruppen diesem Schwer-punkt zuordnen. Das Forschungsfeld „Lipide“ der Medizinischen Universität hat 33 wissenschaftliche Partner. Im Rahmen von BioTechMed wird das Leuchtturm-projekt „Lipases and Lipid Signaling“ mit Dagmar Kratky und Robert Zimmermann als Principal Investigators vorangetrieben. Nicht ganz unabhängig davon ist die Erfor-schung der molekularen Grundlagen von Alterungsprozessen, die in Graz ebenfalls gut vertreten ist. Internationale Beachtung fanden dabei insbesondere die Arbeiten von Frank Madeo, der herausfand, dass die zeitweise Reduktion der Kalorienzu-fuhr („Fasten“) und die Verabreichung des Polyamins Spermidin zur Erreichung eines höheren Alters beitragen können.

Erfolgreiche Kompetenzzentren
Für einen wichtigen Zweig der Grazer Forschung stehen auch die Arbeiten von Thomas Pieber, der an der Universitätskli-nik für Innere Medizin und bei Joanneum Research zum Zusammenhang zwischen Endokrinologie und Stoffwechselerkran-kungen, vor allem Diabetes, forscht. Die Kompetenz auf dem Gebiet diagnostischer Biomarker wurde 2015 ins Kompetenzzen-trum „CBmed“ eingebracht.
Eine lange Tradition hat am Wissen-schaftsstandort Graz auch das Engineering von Enzymen und mikrobiellen Wirtszel-len im Hinblick auf deren industrielle Nut-zung. Die Biokatalyse-Kompetenz wurde 2010 ins K2-Zentrum ACIB eingebracht, das österreichweit die angewandte Forschung auf dem Gebiet der industriellen Biotech-nologie vernetzt. Die Etablierung eines Kompetenzzentrums gelang mit dem RCPE aber auch auf dem Gebiet der Pharmazeu-tischen Technologie.

Doktoratskolleg als Spiegel des Standortprofils
Die in Graz angebotenen Doktorats-kollegs spiegeln dieses Forschungsprofil wider:
Innerhalb des 2019 aufgelegten „FWF-doc.funds“-Programms werden die Dokto-randenprojekte „Molecular Metabolism“ (Institut für Molekulare Biowissenschaf-ten) und das von Robert Kourist (TU Graz) koordinierte „Catalox“ (steht für „Catalytic mechanisms and Applications of Oxidore-ductases“) finanziert. An der Meduni Graz sind die vom FWF geförderten PhD-Programme „Molecular Medicine“, „Metabolic and Cardiovascular Disease“ sowie „Mole-cular Fundamentals of Inflammation“ angesiedelt. Das Doktoratskolleg „Metabo-lic and Cardiovascular Disease“ vernetzt die Forschungsaktivitäten aller drei Grazer Universitäten miteinander.
Harald Pichler, Forschungsgruppenlei-ter am Institut für Molekulare Biotechnolo-gie der TU Graz, verbindet in seinem Wer-degang mehrere Grazer Schwerpunkte: „Ich komme aus der Lipidforschung, habe aber nach dem Postdoc in die Industrielle Biotechnologie gewechselt“, sagt Pichler. Auch hier ist aber das Engineering von Enzymen und mikrobiellen Wirtszel-len im Hinblick auf die Optimierung des Lipid-Stoffwechsels eines seiner Arbeits-gebiete. Vor rund einem Jahr hat er die Zweigstellenleitung Süd der ÖGMBT über-nommen. „Ich verstehe mich als Vermitt-ler, der die Leute einlädt, bei der ÖGMBT mitzumachen und ihre Stärken zu nut-zen“, definiert Pichler seine Aufgabe. Dem soll auch die Programmgestaltung der ÖGMBT-Tagung, die 2020 in Graz stattfin-den wird, dienen: „Mein Ziel ist es, eine möglichst große Bandbreite an Biowissen-schaften thematisch anzusprechen.“

Original Kolumne im Chemie Report 05/2019

 

Page 3 of 3