Print this page

Als würde die wissenschaftliche Welt plötzlich stillstehen

on 17 August, 2020

Die Young Life Sciences Austria (YLSA) vernetzen junge Mitglieder der ÖGMBT miteinander. Wir haben mit  
einigen von ihnen über ihre Erfahrungen mit den aufgrund COVID-19 verhängten Maßnahmen gesprochen.

Die weitgehenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens zum Schutz vor der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie brachen im März sehr plötzlich auf Österreich herein. Auch die in der biowissenschaftlichen Forschung Tätigen waren gezwungen, mit einem Mal ihre Arbeitsweise zu ändern. Kevin Domanegg zum Beispiel hat gerade an seinem Bachelor Praktikum am IST Austria gearbeitet und sich dabei mit dem Transport von Phytohormonen im Zuge der Pflanzenentwicklung beschäftigt. Sein Studium der „Molekularen Biotechnologie“ an der FH Campus Wien beinhaltete auch ein 20-wöchiges Praktikum, das er in der Gruppe von Eva Benková am IST Austria absolvierte. „Wir wurden auf  home-Office umgestellt und alle Experimente mussten abgebrochen werden“, erzählt Domanegg: „Dies war vor allem deshalb schade, da ich zu diesem Zeitpunkt eigenständig zu arbeiten begann und noch gerne viele Aspekte beantwortet hätte.“ Glücklicherweise hatte er in den Wochen davor ausreichend Daten erhoben, deren Analyse er sich nun widmen konnte. Mit der Reaktion des IST Austria zeigt sich Domanegg zufrieden: „Auch wenn der Lockdown relativ rasch erfolgt ist, so hatte ich doch das Gefühl, dass wir auf diesen Fall vorbereitet wurden. Wir hatten dazu Gruppenmeetings, in denen bereits im Vorfeld besprochen wurde, was jeder Einzelne von zu Hause aus erledigen könnte.“ Außerdem wurden, als der Lockdown einmal in Kraft war, tägliche Update-E-Mails versendet, um den Forschern einen Überblick über die sich ständig verändernde Situation zu geben. Auch wenn die Arbeit im Labor nicht im Vordergrund steht, zogen die Virus-bedingten Maßnahmen starke Veränderung in der Arbeitsweise nach sich, wie das Beispiel von Benjamin Bayer zeigt: „Da ich glücklicherweise sehr viel am PC arbeite und einen Remote-Zugang zu meinem Rechner im Büro hatte, konnte   ich meine Arbeit beinahe nahtlos fortsetzen.“ Dennoch hat es etwas Zeit in Anspruch genommen, den Computer zu Hause vollständig arbeitstauglich zu machen und alle benötigten Softwares zu installieren. Bayer war gerade dabei, seine Dissertation am Institut für Bioverfahrenstechnik der BOKU abzurunden. Er arbeitete dabei im Zuge eines FFG-Projekts an der Modellierung von Prozessen und der Implementierung von neuen Qualitätssicherungskonzepten in der biopharmazeutischen Produktion. Im August 2019 wurde aus dem Projekt das Startup Novasign GmbH gegründet. Neben der Dissertation widmete sich Bayer daher dem Ausarbeiten einiger Ideen für das neu gegründete Unternehmen, als sich die Gangart mit einem Mal änderte: „Die Kommunikation im Team wurde natürlich erschwert. Es ist doch etwas anderes, wenn man sich nur kurz umdrehen muss, um etwas zu erfahren.“ Zudem wurden auch einige der potenziellen Kooperationen abgesagt, da sich der Fokus der meisten Firmen umorientiert hatte. „Zusammengefasst würde ich sagen, es hat sich so angefühlt als würde die wissenschaftliche Welt plötzlich stillstehen“, so Bayer.

Die Rettung der teuren Mäuse

In anderen europäischen Ländern konnte man ähnliche Erfahrungen machen: Marion Salzer arbeitet als Postdoc am „Center for Genomic Regulation“ in Barcelona. Ihr Projekt beschäftigt sich mit der Frage, ob „schlafende Eizellen“, die in den Ovarien von Frauen darauf warten, dass sie aktiviert werden und anfangen zu reifen, in dieser Zeit einem Alterungsprozess unterliegen. Für eine solche Arbeit waren die Auswirkungen der verordneten Einschränkungen massiv: Viele Facilities waren großteils geschlossen, und die Hälfte der Maschinen war nicht in Betrieb, da in den Räumen auch nur die Hälfte der sonst üblichen Anzahl von Personen arbeiten durfte. „Ich war im März gerade dabei, diese Eizellen mittels FACS zu isolieren und Transplantationsexperimente durchzuführen, bei denen alte Ovarien in junge Mäuse transplantiert werden und vice versa“, erzählt Salzer. Der Lockdown hatte zur Folge, dass die Maus-Facility des Instituts forderte, zahlreiche Mauslinien zu töten, da der Zugang des Personals zur Einrichtung reduziert werden musste. „Ich habe eine Woche lang damit verbracht, das zu verhindern, da meine Mäuse alt und daher extrem teuer sind.“ Kevin Domanegg ist froh, dass sich für ihn durch den Lockdown keine Verzögerungen ergeben haben: Er hatte genügend Daten, um die Auflagen der Bachelorarbeit zu erfüllen, die von der FH zudem an die aktuelle Situation angepasst wurden, um den Studenten beim Abschluss entgegenzukommen. Benjamin Bayer bedauert, dass nicht nur sein Rigorosum, sondern auch die meisten Konferenzen nun online stattfinden müssen: „Konferenzen sind für unser Startup in der Anfangsphase sehr wichtig, um Aufmerksamkeit zu erhalten und gesehen zu werden.“ Die Idee der schrittweisen Öffnung fand Marion Salzer gut: „Man war sich zwar nie ganz sicher, was man jetzt darf und was nicht, aber im Endeffekt waren die ganzen Diskussionen über die sich ständig ändernden Regeln unterhaltsam.“ 

Life Science Career Fair

Wie in Chemiereport, Ausgabe 4/2020, berichtet, findet die diesjährige ÖGMBT-Jahrestagung in einem völlig veränderten Online-Modus statt. Nach einem Kickoff-Event (ebenfalls online) von  21. bis 23. September werden in einer Serie von „Life Science  Tuesdays“ bis Ende März 2021 an jedem zweiten Dienstagnachmittag virtuelle Communities zu speziellen Themen zusammentreffen. Damit stellte sich aber auch die Frage, wie man in diesen Modus den gut etablierten „Career Day“ einbetten will, bei dem sich Firmen als potenzielle Arbeitgeber präsentieren und Jungforscher an ihren Karrierepfaden feilen. Die Antwort ist die „Life Science Career Fair“ – eine virtuelle Plattform für Arbeitgeber und Karriereinteressierte, die, wie die Tagung selbst, bis März 2021 „geöffnet“ haben wird. „Wir haben ein leicht zugängliches Format mit hoher nationaler und internationaler Sichtbarkeit entwickelt, bei dem Berufsbilder und Karrieremöglichkeiten in den Life Sciences vorgestellt werden“, sagt dazu ÖGMBT-Geschäftsführerin Alexandra Khassidov. Die virtuelle Messe  wird jeden Tag rund um die Uhr offen stehen, optional können „Sprechstunden“ und individuelle Termine vereinbart werden. Live-Interaktionen sind über Text Chat und Video Calls in Gruppen oder nach Terminvereinbarung individuell möglich. Der Einstieg erfolgt im Rahmen des virtuellen Kickoff-Events, in dessen Rahmen sich die Aussteller in Kurzpräsentationen vorstellen, danach können monatliche Schwerpunkte gewählt werden. Interessierte Firmen, Forschungseinrichtungen und weitere Organisationen können sich ab sofort einen Stand sichern. Die Cluster-Organisationen LISAvienna, ecoplus, Human Technology Styria und Standortagentur Tirol sowie die Plattform Life Science Austria (LISA) konnten als Partner gewonnen werden. Dazu Sonja Polan von aws Life Science Austria: „Mit der Unterstützung der diesjährigen ÖGMBT Life Science Career Fair können wir aufzeigen, welche spannenden Möglichkeiten die österreichische Life-Science-Szene den Studierenden und Absolventen bietet. Top ausgebildete Fachkräfte sind für die österreichische Branche überlebenswichtig, um das volle Potential dieses innovativen Sektors auszuschöpfen.“

www.oegmbt.at/jahrestagung/career-fair

Published in: Chemiereport 05/2020