Eine neue Studie der IIASA gemeinsam mit der BOKU zeigt zum ersten Mal, wie zirkuläre Abfallwirtschaftssysteme dazu beitragen können, den Ausstoß von Treibhausgasen und Luftschadstoffen wirksam zu verringern. Der Abfallsektor wird in Diskussionen über Klimawandel und Luftverschmutzung oft vernachlässigt, obwohl die zunehmenden Mengen fester Siedlungsabfälle und ineffiziente Abfallbewirtschaftungssysteme die Umwelt bedrohen und zur Klimaerwärmung beitragen.
Wachsende Müllberge
Die Menge an Abfall, die jedes Jahr weltweit anfällt, ist in den letzten Jahrzehnten exponentiell angestiegen, was vor allem auf das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum und die daraus resultierenden Veränderungen der Produktions- und Verbrauchsmuster zurückzuführen ist.
Ein Drittel des globalen Müllbergs, der jedes Jahr entsteht, wird von etwa einem Sechstel der Bevölkerung (Länder mit hohem Einkommen) erzeugt. Allerdings werden nur etwa 13 % wiederverwertet und 5,5 % kompostiert. Das Fehlen geeigneter Anlagen, um diese großen Abfallmengen zu bewältigen – insbesondere in Ländern mit niedrigem Einkommen – führt häufig zu Umwelt- und Gesundheitsschäden, einschließlich der Emission von giftigen Schadstoffen und Treibhausgasen in die Atmosphäre.
Von der Abfalldeponie zur Abfallkreislaufwirtschaft
In der ersten globalen Studie dieser Art haben IIASA-Forscher*innen gemeinsam mit einem Wissenschaftler der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) den Abfallsektor unter die Lupe genommen. In der Studie, die soeben in Nature Communications veröffentlicht wurde, wurden 184 Länder und Regionen untersucht, differenziert zwischen städtischem und ländlichem Siedlungsraum. Der Forschungsansatz ist insofern neuartig, als er die Shared Socioeconomic Pathways (SSPs) – eine Reihe von Szenarien, die alternative sozioökonomische Entwicklungen bis zum Jahr 2100 beschreiben – in die Abfallwirtschaft überträgt und das Potenzial zur Verringerung der Treibhausgas- und Luftschadstoffemissionen durch die Gegenüberstellung von Basis- und Minderungsszenarien bis 2050 bewertet.
„Wir wollten die künftigen Trends des kommunalen Abfallaufkommens untersuchen und die Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen und die Luftverschmutzung analysieren, wenn die Abfallbewirtschaftungssysteme bis 2050 auf dem heutigen Stand gehalten werden. Anschließend bewerteten wir, inwieweit es möglich wäre, die Abfälle und die damit verbundenen Emissionen zu reduzieren, wenn im Rahmen der verschiedenen SSPs Kreislaufsysteme für die Abfallwirtschaft eingeführt würden. Dieser Ansatz hilft uns auch zu verstehen, wie unterschiedliche globale Entwicklungen den Umfang und das Tempo der Einführung von Kreislaufwirtschaftssystemen behindern oder beschleunigen und welche Auswirkungen dies auf die Emissionen hat“, erklärt die Hauptautorin Adriana Gómez-Sanabria, Forscherin in der IIASA-Forschungsgruppe für Umweltmanagement und Dissertantin an der BOKU.
Kreislaufwirtschaft ist ein nachhaltiges System, bei dem die Abfallerzeugung minimiert wird. Das sind Abfallsammelsysteme:
– die die gesamte Bevölkerung erreichen,
– bei denen die offene Verbrennung von Abfällen und die ungeordnete Ablagerung von Abfällen beseitigt werden,
– wo Abfälle von Deponien ferngehalten werden,
– und stattdessen Materialien wiederverwendet und recycelt werden und
– erst als letzter Ausweg Müll effizient verbrannt wird, um Energie zu erzeugen.
Szenario zur Eindämmung von Abfallverbrennung
Durch die Gegenüberstellung verschiedener Szenarien fanden die Forscher*innen beispielsweise heraus, dass das Nachhaltigkeitsszenario (SSP1) erhebliche und frühere Zusatznutzen bringen könnte. Das Nachhaltigkeitsszenario geht von einer Welt aus, in der eine Weiterentwicklung unter Beachtung der Umweltgrenzen im Vordergrund steht. Darin werden sozioökonomische Ungleichheiten verringert und weiters konzentrieren sich die Maßnahmen zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung auf die Behandlung von Schadstoffen bereits zum Zeitpunkt wenn diese entstehen. In diesem Szenario wäre es nach Einschätzung der Forscher möglich, die offene Verbrennung von Abfällen vor 2050 zu unterbinden und damit diese Quelle für Luftverschmutzung zu beseitigen.
Rasches Handeln notwendig
Auch wenn es nicht möglich sein wird, die Methan- und CO-Emissionen aus festem Müll vollständig zu eliminieren, weisen die Forscher*innen darauf hin, dass die Reduzierung der Emissionen aus festen Siedlungsabfällen fast ein Viertel davon ausmachen könnte. Dabei gehen sie von der Tatsache aus, dass das maximale technische Vermeidungspotenzial weltweit auf etwa 205 Millionen Tonnen Methan im Jahr 2050 geschätzt wird. Dies macht deutlich, dass schnelles und entschlossenes Handeln erforderlich ist, um Abfälle zu reduzieren und von Deponien fernzuhalten, die Wiederverwendung und das Recycling zu steigern und Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung zu fördern.
Wettbewerbsfähige Gesellschaften als Müllweltmeister
Die Forscher*innen fanden heraus, dass unterschiedliche sozioökonomische Annahmen, die den einzelnen SSP zugrunde liegen, zu erheblichen Unterschieden bei den künftigen Siedlungsabfallströmen führen. Sie gehen davon aus, dass die geringsten Mengen fester Abfälle in SSP3 (einem Szenario, in dem sich die Länder auf die Erreichung von Energie- und Ernährungssicherheitszielen innerhalb ihrer eigenen Regionen auf Kosten einer breiteren Entwicklung konzentrieren) und SSP4 (einem Szenario, das durch große Ungleichheit gekennzeichnet ist) aufgrund des langsamen Wirtschaftswachstums und der großen Ungleichheiten zwischen den Regionen zu erwarten sind.
Die Ergebnisse deuten ferner darauf hin, dass die geringere Kaufkraft in einkommensschwachen Regionen den Erwerb von Gütern einschränkt und damit die Menge der erzeugten festen Siedlungsabfälle verringert. Im Gegensatz dazu wird das höchste Aufkommen an Siedlungsabfällen im SSP5-Szenario erwartet. Dieses Szenario beschreibt eine Welt, die auf wettbewerbsfähige Märkte, Innovation und partizipative Gesellschaften setzt.
Abfallreduzierung gekoppelt mit Kreislaufwirtschaft
Nach Ansicht der Autor*innen wird die Abfallreduzierung zusammen mit der Einführung von Kreislaufwirtschaftssystemen eine breite Palette von Vorteilen bieten. Dazu zählen:
– die Reduzierung von Treibhausgasemissionen,
– Reduktion von Luft- und Wasserverschmutzung,
– die Verbesserung der Wasserqualität durch die Verringerung der Verschmutzung,
– die Unterbindung der Verknappung von Wasserresourcen,
– und die Minimierung der Freisetzung gefährlicher Chemikalien und Materialien.
Die entwickelten Szenarien zeigen durch eine systematische Untersuchung der kommunalen Abfallbewirtschaftungssysteme auf, welche politischen und technischen Maßnahmen im Abfallsektor auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft getroffen werden können.
„Die Studie zeigt, dass auf diesem Weg erhebliche Verringerungen der Emissionen erzielt werden können. Dazu braucht es neben technischen Studien, die sich auf einzelne Produkte beziehen, auch Analysen auf der Ebene des Gesamtsystems. Etwa mit Hilfe von Integrierten Assessment-Modellen, wie in diesem Fall, aber auch auf Basis einer Gesamtbetrachtung des gesellschaftlichen Material- und Energieeinsatzes“, so der an der BOKU tätige Co-Autor Helmut Haberl.
Referenz
Gómez-Sanabria, A., Kiesewetter, G., Klimont, Z., Schoepp, W., Haberl, H. (2021). Potentials for future reductions of global GHG and air pollutants from circular waste management systems.
Nature Communications DOI: 10.1038/s41467-021-27624-7
https://www.nature.com/articles/s41467-021-27624-7
Kontakte
Prof. Dr. Helmut Haberl
Institut für Soziale Ökologie (SEC)
Universität für Bodenkultur Wien
Tel.: +43 1 47654 – 73714
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Adriana Gómez-Sanabria
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Pollution Management Research Group
Energy, Climate, and Environment Program
Tel: +43 2236 807 679
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(GZ)
Quelle: Universität für Bodenkultur
Foto: Gerd Altmann, pixelio.de
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