Diese Frage stellen sich momentan vermutlich viele. Der Akku ist leer, soll dringend aufgeladen werden – aber wo und wie? Zu viele Unbekannte machen eine verlässliche Planung so gut wie unmöglich. Die Psychologin Claudia Traunmüller von der Universität Graz bietet in Ihrer Studie Anregungen, wie man auch in unplanbaren Zeiten Erholung und Entspannung findet.Laut der Gesundheitspsychologien sind es vor allem die Unsicherheiten und die fehlende Vorhersehbarkeit der weiteren Entwicklungen, die den Menschen derzeit zu schaffen machen. Was bringt die Delta-Variante? Wenn jemand die Zweckmäßigkeit von Maßnahmen, mit denen er konfrontiert wird, auch noch schwer nachvollziehen kann, oder sich diese permanent ändern, so erhöht es zusätzlich den Stress.
Unsicherheit und widersprüchliche Aussagen erzeugen Stress
Die Pandemie hat dem Großteil der österreichischen Bevölkerung mental einiges abverlangt. Im Frühjahr 2020 gaben 40 Prozent der ProbandInnen an, von der Krise beeinträchtigt zu sein, gut ein Fünftel litt unter Stress, Angst und Depressionen. Schon damals waren SchülerInnen und Studierende besonders belastet, aber auch ältere Personen mit angeschlagener Gesundheit. „Ursprünglich schlug sich allein der Fakt, dass eine Pandemie ausgebrochen war, auf die Psyche der Bevölkerung. Mittlerweile hadern die Menschen mit den Konsequenzen“, präzisiert die Forscherin. Unsicherheit über die Unvorhersehbarkeit der Entwicklung, über sich ständig ändernde Vorschriften und sich zum Teil widersprechende Informationen je nach Quelle, erzeugen Stress. “Die Uneinigkeit in der Politik habe viel Platz für Spekulationen aufgemacht und QuerdenkerInnen weiten Raum gegeben. Das spaltet letzlich die Gesellschaft”.
Spätestens der zweite Lockdown vergangenen Herbst hat die meisten Leute schwer getroffen, weil sie wenig Gelegenheit hatten, ihre Batterien über den Sommer wieder aufzuladen. „Man kennt das: In einer Extremsituation oder ab dem halben Ladestand geht einem Akku viel schneller der Saft aus“, zieht Claudia Traunmüller einen plastischen Vergleich.
Trotzdem Erholung finden
Wie kann man sich in einem Sommer erholen, von dem man nach wie vor nicht vorhersagen kann, wie und wohin man unbeschwert verreisen kann? Funktioniert „Beine hoch“ auf Balkonien noch für eine Saison? „Ein Ortswechsel”, so Traunmüller, “tut immer gut, auch wenn er nicht in die weite Welt führt. Mit kleinem Gepäck verreisen, die Haustüre zusperren, Pflichten, Routinen, die Mühen des Alltags hinter sich lassen, Abstand gewinnen zum Alltag – all das trägt schon zur Entspannung bei“. Dazu müssten es aber nicht das fremde Flair eines fernen Landes und das Meeresrauschen sein. Bereits eine andere Landschaft in der Nähe liefert frische Input für den Geist und neue Energie.
Wohlbefinden beginnt im Kopf
“Statt in der Krise in Lethargie zu verfallen und ständig dem nachzuhängen was jetzt nicht möglich ist und sich darüber sorgen, was kommen wird, solle man stattdessen alle Möglichkeiten auskosten, die der Moment bietet. Wer keinen Sinn erkennt und rein emotional reagiert, steht unter wesentlich größerem Druck. Man müsse sich die Zeit geben, um darüber nachzudenken, wie man die Phase für sich nützen könnte, welche positiven Seiten sie trotz all der Schwierigkeiten mit sich bringt. „Das fehlt komplett, dazu gibt es keine Anregungen“, kritisiert die Psychologin.
Traunmüller hat mit Studien belegt, dass die ÖsterreicherInnen generell zu wenig auf sich selbst achten. Etwa ein Viertel ist körperlich nicht voll leistungsfähig und verfügt damit über keinerlei Stresspuffer. Die Menschen müssen dabei unterstützt werden, ihren Lebensstil zu ändern“, fordert die Expertin. Fitness, eine ausgewogene Ernährung und der Regeneration ausreichend Stellenwert einräumen – das sind drei Säulen auf denen man aufbauen kann um Krisen gut zu stemmen. Wie jemand mit Belastungen umgeht und wie sehr diese an den Kräften zehren, ist persönlichkeitsabhängig. „Man kann aber trainieren, Krisen als Herausforderung anzusehen und ihnen sportlich zu begegnen: das bedeutet die neuen Möglichkeiten darin zu suchen, statt mit der Situation zu hadern“, empfiehlt die Expertin. Der zweite Lockdown hat vielen besonders zugesetzt.
Die schwierige Rückkehr zur “Normalität”
Die schrittweise Rückkehr in die angebliche Normalität bringt bei weitem nicht für alle die große Erleichterung: „Es herrscht weiterhin Unsicherheit über gerade geltende Regeln, und die Resozialisierung kann doch problematisch werden“, so Traunmüller. Manche SchülerInnen hat beispielsweise der ungewohnt volle Klassenraum nach Ende des Schichtbetriebs in Stress versetzt. Auch Erwachsene finden mitunter aus der Einsamkeit des Homeoffice schwer zurück ins geschäftige Treiben in Öffis oder am Arbeitsplatz. Empirische Daten, wie sich die Bevölkerung auf die neue Situation einstellt, fehlen derzeit noch. „Es wird aber spannend zu beobachten sein, wie sich die Lage entwickelt“, meint die Psychologin.
Ein ausführlicherer Bericht über die Forschungen von Claudia Traunmüller findet sich in der aktuellen Ausgabe der Unizeit:
https://uni-graz.e-publikation.de/de/3-2021/durchatmen/traunmueller
Kontakt für Rückfragen:
Dr. Claudia Traunmüller
Institut für Psychologie der Universität Graz
Tel.: 0699/14201223
E-Mail: This email address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it.
(GZ)
Quelle: Universität Graz
Foto:
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