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Wir sind ab nun regelmäßig im CHEMIE REPORT mit einer ÖGMBT-Kolumne mit den neuesten Entwicklungen aus der österreichischen Life Science Szene vertreten. Wenn Sie einen interessanten Beitrag dazu leisten wollen, richten Sie Ihre Anfrage bitte an die Geschäftsstelle!

 

 

Organismen für Ingenieure

on 12 May, 2015

Die Synthetische Biologie ist ein noch junges Pflänzchen im Garten der Biowissenschaften.
Auch in Österreich regen sich erste Triebe.

In den vergangenen Jahren war immer öfter von „Synthetischer Biologie“ zu hören, verschiedene wissenschaftliche Ansätze werden mit dem Begriff in Zusammenhang gebracht. Craig Venter gelang vor einigen Jahren, ein in Komplettsynthese aus chemischen Bausteinen hergestelltes Genom einer Bakterienart in eine DNA-freie Zelle einer anderen Bakterienart zu transferieren. Andere Wissenschaftler versuchen, Zellen auf ein Minimum der unbedingt erforderlichen Systemkomponenten zu reduzieren und in diese bestimmte genetische Schaltkreise (sogenannte Biobricks) einzubauen, um zu gewünschten Funktionen zu kommen. Viel Interesse hat auch der Versuch auf sich gezogen, in Organismen Stoffwechselwege einzubauen, die sie mit ihrer natürlichen Gen-Ausstattung gar nicht beschreiten würden. Die Unschärfe des Begriffs und die unklare Abgrenzung zu dem, was man herkömmlich „Gentechnik“ oder „genetische Modifikation von Organismen“ nennt, haben in der wissenschaftlichen Community verstärkt den Ruf nach einer einheitlichen Definition und standardisierten Methodologie laut werden lassen. In diesem Sinne ist auch der Vorstoß der Europäischen Kommission zu werten, die drei „Scientific Commitees“, die sie zu Fragen der Sicherheit, Gesundheit und Umwelt beraten ( Scientific Committee on Consumer Safety – SCCS; Scientific Committee on Health and Environmental Risks – SCHER; Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks – SCENIHR), um ihre Meinung zum Thema zu befragen. Die drei Commitees haben daher begonnen, an Positionspapieren zu Definition, methodologischen und Sicherheits-Aspekten sowie den zu setzenden Forschungsprioritäten zu arbeiten. Das erste dieser Papiere, das sich mit der Definition beschäftigt, ist kürzlich finalisiert worden und hat einige wichtige Feststellungen gemacht.

Operationale Definition
Die meisten kursierenden Definitionen der Synthetischen Biologie betonen die Bedeutung von Konzepten aus dem Ingenieurwesen (etwa das der Modularisierung), die einen Zugang zu Organismen schaffen sollen, die so in der Natur nicht vorkommen. Das Expertenpapier hebt demgegenüber hervor, dass eine operationale Definition zu bevorzugen wäre, die sowohl eine Risikobewertung ermöglicht, als auch Kriterien festlegt, um einen bestimmten Ansatz als Synthetische Biologie zu werten oder nicht. Als vorläufige Festlegung einigte man sich darauf, dass unter dem Begriff eine Anwendung von Wissenschaft, Technologie und Ingenieurwesen verstanden werden soll, die das Design, die Herstellung und die Modifikation von genetischem Material in lebenden Organismen erleichtert und beschleunigt. Zur Abgrenzung von der herkömmlichen Gentechnik wären freilich quantifizierbare Kriterien für die Komplexität der genetischen Modifikation oder die Geschwindigkeit der Veränderung erforderlich, die derzeit nicht greifbar sind. Darauf aufbauend sollen nun in einem zweiten Positionspapier methodologische und Sicherheitsaspekte
betrachtet werden.

Vertreter in der österreichischen Life-Sciences-Community
An der Erstellung dieser ersten von drei „Opinions“ war auch der Österreicher Markus Schmidt beteiligt, der sich auf dem Gebiet der Technikfolgenabschätzung und öffentlichen Wahrnehmung der Synthetischen Biologie international einen Namen gemacht hat. Das von ihm gegründete Unternehmen Biofaction arbeitet darüber hinaus auf dem Gebiet der Wissenschaftskommunikation, des Dokumentarfilms und der Begegnung von Wissenschaft und Kunst. Vergangenen Oktober fand beispielsweise das Festival „Biofiction“ statt, das sich in Podiumsdiskussionen, Do-it-yourself-Vorführungen, Performances und Kurzfilmen aus verschiedensten Blickwinkeln mit dem Feld der Synthetischen Biologie beschäftigte.
Astrid Mach-Aigner, die 2012 den ÖGMBT VWR Forschungspreis erhielt, arbeitet gerade am Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Technische Biowissenschaften an der TU Wien an ihrer Habilitation auf dem Gebiet der Synthetischen Biologie. Das von ihrer Gruppe verwendete Modellsystem ist dabei ein Pilz aus der Gattung Trichoderma, dem Dinge beigebracht werden, die er mit seiner natürlichen genetischen Ausstattung gar nicht könnte. Mach-Aigner ist im Zuge der vom FWF geförderten Forschungsarbeit auf drei Ebenen mit steigendem Komplexitätsgrad tätig, wie sie im Gespräch mit dem Chemiereport erklärt. Eine der einfachsten Methoden ist, synthetische Transkriptionsfaktoren zu verwenden, um die Expression eines Gens, das der Pilz schon hat, effizienter zu induzieren. Die zweite Stufe stellt ein komplettes synthetisches Expressionssystem dar, indem nicht nur ein chimärer Transkriptionsfaktor, sondern auch dazu passende veränderte Promotoren für dessen Zielgene eingebracht werden. Die höchste Stufe stellt der Aufbau eines kompletten artifiziellen Synthesewegs dar. So wurde dem Pilz durch Einbau zweier Gene aus zwei unterschiedlichen Bakterien beispielsweise beigebracht, aus Chitin – das etwa in Krabbenschalen mehr als reichlich vorhanden ist – N-Acetylneuraminsäure, den Vorläufer wichtiger antiviraler Medikamente, herzustellen. Die dabei stattfindende gezielte Modifikation von Organismen auf einen bestimmten Zweck hin hält Mach-Aigner für den wesentlichen Aspekt der Synthetischen Biologie.

Original Kolumne 01/2015